Geron spürt das kühle Wasser des anflutenden Meeres an seinen Zehenspitzen. Die salzige Meeresluft reinigt mit jedem Atemzug seinen leidgeprüften Geist. Erst jetzt bemerkt er, dass die Sonne langsam am Horizont zu verschwinden begann. Ein leises Grillenzirpen mischt sich mit dem stetigen Rauschen der Wellen.
Geron muss seit mehreren Stunden hier sitzen. Auf seinen Oberschenkeln ruht ein zerknittertes Blatt Papier. Es ist leer. Sein Blick bewegt sich zu den Schiffen, die in den Hafen von Potamos einfahren. Die Mé’R?n, das Wasserurfolk von Perihelia, und die menschlichen Wassermagier arbeiten Hand in Hand, um die heimkehrenden Kriegsschiffe zu entladen. Einige der Schiffe tragen mahnende Narben der Schlacht: klaffende, teilweise notdürftig verschlossene Rumpfl?cher, zerschlissene und verkohlte Segel, gebrochene Maste. Von den Schiffen steigen verwundete Krieger herab. Regungslose K?rper, einige vollkommen mit einem Tuch bedeckt, werden auf einfachen Holztragen von den Schiffen getragen.
Geron kann die Worte der Heiler und Wassermagier h?ren. Er vernimmt dabei vereinzelt Stimmen, die ihn am heutigen Morgen die Heilungskünste lehrten. Hastige Befehle durchdringen die Stille der Nacht, w?hrend die Verletzten in den n?chstgelegenen Tempel gebracht. Wasser- und Feuermagier versuchen bereits am Hafen die einige Wunden zu versorgen, um die bereits überfüllten Tempel zumindest etwas zu entlasten. Geron kann die Ersch?pfung in den Augen der rückkehrenden Krieger erkennen.
Vier Wochen sind vergangen, seit seine Mutter mit der Flotte des Wasservolks in den Krieg gegen die Varrokai gezogen ist. Vier Wochen ohne Nachricht, ohne Lebenszeichen. Die Erinnerung an ihre Abreise, ihre blau-goldene Robe, die sich im Meereswind bauschte, w?hrend sich das Schiff langsam dem Horizont n?herte.
Sein Blick gleitet zurück auf das wei?e Blatt Papier, das auf seinen Knien ruht. Die Leere spiegelt eine Unsicherheit und seine Angst. Morgen früh wird wieder eine Fregatte auslaufen, beladen mit Proviant, Waffen und den Briefen der daheimgebliebenen Angeh?rigen. Und wie jede Woche sollte auch sein Brief an die Front geschickt werden. Doch bislang blieben alle seine Nachrichten unbeantwortet.
Seine Gedanken wandern zurück zu Zeiten des Friedens. Seine Mutter ihm hier am Strand die ersten Bewegungen zur Beherrschung des Wassers gezeigt. Es war ein warmer Sommertag gewesen, die Sonne hoch am Himmel, und er konnte sich noch an das Gefühl erinnern, wie das eigenwillige chaotische Wasser, zum ersten Mal seinen Befehlen folgte. Der Rat der Kristallw?chterinnen hatte in seiner Kindheit entschieden, dass Geron die Macht der Perihelia, der Seelenkristalle, in sich aufnehmen durfte. Damit wurde er zu einem Wassermagier, so wie seine Mutter. Er erinnert sich an das Gesicht seiner Mutter, erfüllt von Stolz, als er seinen ersten Wasserschweif erschuf. Er hat viel von seiner Mutter gelernt. Etwas, was sie aber oft wiederholte, blieb ihm allerdings besonders im Ged?chtnis. ?Magie ist ein m?chtiges Werkzeug. Sie ist weder gut noch b?se. Es liegt allein an dir, was du damit bewirkst.“
Der Krieg hatte alles ver?ndert. Seit drei Jahren tobt der Konflikt zwischen den V?lkern von Perihelia und den Varrokai, einem grausamen Menschenvolk aus dem Westen. In dieser Zeit hatte Geron begonnen, sich den Heilkünsten der Wassermagier zu widmen, um den tapferen Kriegern und unschuldigen Zivilisten zu helfen, die dem Krieg zum Opfer fielen.
Geron schafft es nicht, die Leere des Blattes zu durchbrechen. Fürchtet er sich vor weiteren ausbleibenden Antworten? Oder fürchtet er sich vor schlechten Nachrichten? Diese Gedanken überw?ltigen Geron, allein der Gedanke, dass seiner Mutter etwas zugesto?en sein k?nnte, vermag ihn in tiefe Verzweiflung zu stürzen. Eine Tr?ne entweicht seinem Auge, l?uft die zarte Wange herunter und tropft auf das Blatt. In einem Akt des Affekts zerknüllt Geron das Papier und schmei?t es in die Wellen, die das Blatt mit jedem Wellengang tiefer ins Meer tragen. Mittlerweile reicht das Wasser bis an seine Hüfte. Das Rauschen der Wellen überdeckt sein leises Schluchzen. Er greift an seinen Gürtel, an dem sich ein kleiner Beutel befindet. Aus ihm zückt er ein kleines Blatt, das er mit Bedacht anschaut. Es ist ein Kunrah-Blatt. Dann zerreibt er das Blatt zwischen seinen Fingern. Etwas Sekret tritt aus dem aufgeweichten Blatt heraus. Geron nimmt das Blatt und packt es sich unter die rechte Oberlippe auf das Zahnfleisch. Er schlie?t seine Augen. Diese Momente des Wartens, bis die Erl?sung von Trauer und Verzweiflung eintritt, sind besonders qualvoll.
Die Gedanken und ?ngste sind wie Schauspiele vor seinem inneren Auge. Er sieht brennende und sinkende Schiffe der Wassermagier. Seine Mutter, die von einem rückkehrenden Schiff getragen wird, leblos. Der Schmerz wird immer st?rker, unertr?glicher. Wann setzt die Wirkung endlich ein?
Dann, pl?tzlich, werden die lebhaften Bilder schleierhaft und verblassen langsam. Sie werden immer kleiner, verschwinden aber nicht ganz. Seine Angst wird immer schwacher, als er die Bilder kaum noch erkennen kann. Es ist, als k?nne er nur noch aus der Ferne seine Gedanken emotional bewerten. Langsam ?ffnet er die Augen. Er wei?, dass seine ?ngste nur zur Seite geschoben wurden. Aber die emotionale Bet?ubung durch das Kunrah erlauben es ihm, nicht an ihnen zu verzweifeln.
?Du wirst noch ganz kalt, Geron!“
Eine tiefe, warme Stimme durchbricht die n?chtliche Stille. Geron zuckt leicht zusammen und dreht sich um. Ein gro?gewachsener, stattlicher junger Mann n?hert sich ihm mit federnden Schritten. Sein Gesicht ist markant, die kantigen Wangenknochen von der Abendsonne golden angestrahlt. Strahlend blaue Augen ruhen auf Geron, und mit einer eleganten Bewegung schleudert er seine dunkelroten Haare aus dem Gesicht. Es ist Ferion.
?Komm schon, steh‘ auf!“ sagt er mit einem aufmunternden L?cheln und streckt ihm die Hand entgegen.
Geron z?gert einen Moment, dann greift er zu. Ferions Griff ist fest, warm. Eine Erinnerung an die Sicherheit, die er ihm immer bot. Mit einem Ruck zieht er Geron auf die Fü?e, der sich kurz das Gefühl der festen Erde unter seinen Beinen vergewissern muss.
?Du zitterst ja schon!“ bemerkt Ferion mit hochgezogenen Augenbrauen. Ohne ein weiteres Wort hebt er die Hand. Mit einer flie?enden Bewegung entsteht zwischen seinen Fingern ein flammender Schleier, der mit jedem Fingerzucken an Form gewinnt. Die leuchtend roten und orangefarbenen Zungen tanzen spielerisch in der Luft, ein lebendiges Band aus Hitze. Mit einer sanften Bewegung gleitet der Flammenschleier aus seinen H?nden und schmiegt sich wie ein warmer Mantel um Geron.
?Sag mir Bescheid, wenn es zu hei? wird!“ scherzt Ferion mit einem schmeichelnden Grinsen.
Geron kann nicht anders, als ebenfalls kurz zu l?cheln. Die W?rme breitet sich in ihm aus, vertreibt das Fr?steln, das nicht nur von der n?chtlichen K?lte kam. Sein Blick trifft Ferions, der mit unerschütterlicher Zuversicht in seine Augen schaut. Ein Freund, der immer für ihn da war, in guten wie in schlechten Zeiten.
Doch dann weicht das L?cheln aus Ferions Gesicht, sein Ausdruck wird ernster. ?Das mit deiner Mutter tut mir leid, Geron.“ Seine Stimme ist leise, fast entschuldigend. ?Ich wei?, wie sich das anfühlt. Von meinem Vater hatte ich damals auch für mehrere Wochen nichts geh?rt.“
Geron senkt den Blick. Ein Klo? sitzt in seinem Hals, schwer und drückend. Seine Mutter… Wo war sie jetzt? War sie in Gefahr? Oder schlimmer noch…? Das Kunrah hindert ihn schützend daran, den Gedanken nicht zu Ende zu führen.
Sanft legt Ferion ihm eine Hand auf die Schulter. ?Ich bin mir sicher, dass es deiner Mutter gut geht.“ Seine Stimme ist nun voller überzeugung. ?Ich wei? es einfach!“
Geron hebt langsam den Kopf. Die Euphorie in Ferions Stimme ist ansteckend, sein unerschütterlicher Glaube ein Licht in Gerons trüben Gedanken. Ein Funke Hoffnung keimt in ihm auf.
Ohne ein weiteres Wort beginnen die beiden, den Weg hinab in Richtung Potamos, der Hauptstadt der Wassermagier, zu beschreiten. Die letzten Sonnenstrahlen spiegeln sich in den feuchten Pflastersteinen, als würden sie ihnen den Weg weisen.
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Die gewaltigen Mauern von Potamos ragen vor ihnen auf, w?hrend der salzige Wind vom Meer her weht und das entfernte Pl?tschern der Wellen an den Steinw?llen zu ihnen dringt. Der Flammenschleier, der Geron noch eben gew?rmt hatte, verflüchtigt sich langsam, wie ein sanfter Nebel, der in der K?lte der Nacht vergeht. Ferion legt seinen Arm um Gerons Schulter, seine Berührung warm und vertraut.
"Du musst morgen wieder mit der Flotte aufbrechen, oder?" fragt Geron mit ged?mpfter Stimme.
Ferion seufzt leise. "Ich fürchte schon. Ihr Wassermagier allein kommt ja bei gr??eren Invasionen nicht zurecht. Da braucht ihr uns Feuermagier, um überhaupt was zu rei?en!" Er grinst, doch seine Augen spiegeln einen Ernst wider, der Geron nicht entgeht.
Geron schnaubt leise, aber noch bevor er etwas erwidern kann, f?hrt Ferion fort. "Unsere Sp?her berichten, dass sich eine Flotte der Varrokai in unsere Richtung bewegt. Wir werden diese Bastarde auf den Meeresgrund schicken, bevor sie überhaupt Potamos erreichen."
Geron schlie?t kurz die Augen, w?hrend seine Finger sich unbewusst um das Lederband seines Schwertgriffs schlie?en. Dann packt er Ferions Hand, die auf seiner Schulter ruht. "Bitte pass auf dich auf. Dich kann ich nicht auch noch verlieren."
Ferion bleibt abrupt stehen und dreht Geron zu sich. Nun ruht auch sein zweiter Arm auf Gerons Schultern, und sein Blick ist voller Entschlossenheit. "Mach dir keine Sorgen, uns beiden wird nichts passieren. Das verspreche ich dir!" Seine Stimme ist warm, voller Zuversicht, und für einen kurzen Moment kann Geron den vom Kunrah nur de?mpften Sturm in seinem eigenen Inneren vergessen.
Dann zerrei?t ein Schrei die Stille.
Beide fahren erschrocken herum. Der Schrei war schrill, schmerzerfüllt, von reiner Qual erfüllt. Er hallt durch die dunklen Stra?en der Stadt, l?sst die Haut auf Gerons Armen schaudern.
"Hast du das geh?rt?" Ferions Blick ist alarmiert.
Geron nickt stumm. Dann ert?nt ein zweiter Schrei. Diesmal aus einer anderen Richtung. Und dann noch einer. Immer wieder, aus allen Ecken der Stadt. Dann ert?nt das Schlagen einer Glocke. Laut, dumpf und unheilvoll. Geron erstarrt. Ein innerer Ruck geht durch seinen K?rper, als h?tte ihn ein unsichtbarer Schlag getroffen. Dieses Ger?usch. Es ist dasselbe, das vor zwei Jahren erklang. Damals, als die Varrokai in Perihelia einfielen. Damals, als die Varrokai-Kriege begannen.
Sein Herz rast. Er wei?, was das bedeutet.
"Wir werden angegriffen!"
Geron und Ferion stürzen durch die engen Gassen von Potamos. Die Stadt versinkt im Chaos. Bewaffnete Kriegerinnen und Krieger dr?ngen sich an ihnen vorbei, Kinder wimmern in den Armen ihrer Mütter, alte Menschen starren mit leerem Blick auf die Flammen, die sich in der Ferne gegen den dunklen Himmel erheben. Die Luft ist erfüllt von Schreien, von klirrendem Metall und dem Rauschen herabstürzender Wassermassen.
"Ich muss zu meinem Vater!" ruft Geron, seine Stimme erstickt fast im L?rm der Stadt.
"Ich begleite dich!" schnaubt Ferion, der dicht hinter ihm h?lt.
Als sie eine breitere Stra?e erreichen, bietet sich ihnen ein erschütterndes Bild: Am Ende der Gasse tobt ein Kampf. Die Dunkelheit der Nacht umhüllt die Gestalten, doch in den lodernden Flammen der Feuermagier werden für Sekundenbruchteile die Konturen der feindlichen Rüstungen sichtbar. Die Varrokai sind bereits in die Stadt eingedrungen.
Pl?tzlich ein klirrendes Scheppern hinter ihnen. Metall auf Metall. Geron und Ferion drehen sich ruckartig um. Ein breitschultriger Varrokai-Offizier steht nur wenige Schritte von ihnen entfernt. Seine massive Rüstung ist mit dunklem Blut besudelt, sein Zweihandschwert tropft von der letzten Seele, die es geschnitten hat. Die scharfen Kanten seines gold-silbernen Helms spiegeln das Licht der umliegenden Br?nde wider, und in seinen zweifarbigen Augen liegt ein m?rderisches Funkeln.
Der Varrokai hebt sein Schwert, bereit zum Schlag. Doch Geron reagiert instinktiv. Ein Wasserschweif entsteht in seinen H?nden und peitscht dem Krieger mit brutaler Wucht entgegen. Der Offizier springt mit unerwarteter Wendigkeit zur Seite, der Schlag verfehlt ihn knapp. Bevor er erneut angreifen kann, schleudert Ferion einen Dolch. Die Klinge bohrt sich tief in den ungeschützten Oberschenkel des Varrokai.
"Arrrgh!" Ein markerschütternder Schrei entf?hrt dem Offizier, als er auf die Knie f?llt.
"Lauf!" schreit Ferion.
Gerons Herz rast. Sein Atem geht schnell. Z?gerlich schreitet er einige Schritte rückw?rts, den Varrokai-Offizier weiter fixierend. Dann wendet er sich abrupt ab und rennt los. Doch kaum dreht er sich um, prallt er gegen einen massiven Brustkorb. Zwei gepanzerte Arme schlie?en sich um ihn wie eiserne B?nder. Ein heftiger Schlag in den Magen treibt ihm die Luft aus den Lungen. Geron keucht, der Schmerz explodiert in seinem Inneren. Sein K?rper sackt zu Boden.
Benommen liegt er auf dem rissigen Kopfsteinpflaster, der Atem pfeift in seinen Lungen. Mit verschwommener Sicht erkennt er zwei Varrokai-Krieger, die auf ihn herabblicken. Sie sprechen miteinander, ihre Worte ein unverst?ndliches Gemisch aus harten Lauten. Dann beginnt einer von ihnen zu lachen. Ein dunkles, schallendes Gel?chter, das Geron durch Mark und Bein geht.
Ein schwerer, gepanzerter Fu? setzt sich auf seine rechte Wange und drückt sein Gesicht zur Seite. Kaltes Metall und feuchter Schmutz pressen sich gegen seine Haut. Doch es ist nicht der Schmerz, der ihn erstarren l?sst. Es ist das, was er sieht.
Ferion.
Sein Freund kniet im Dreck. Sein sonst lebendiges Gesicht ist bleich, der Mund leicht ge?ffnet, als würde er nach Luft ringen. Blut tropft langsam von seinem Kinn. Hinter ihm steht der Offizier, der Dolch noch immer in seinem Bein, doch sein Griff umschlie?t nun eine andere Waffe. Ein Kurzschwert, dessen Klinge tief in Ferions Hals steckt.
"Ferion!"
Der Offizier zieht das Schwert mit einem grausamen Ruck aus Ferions K?rper. Ein letztes Zucken geht durch Ferions Glieder, bevor er nach vorne kippt. Sein lebloser K?rper f?llt direkt neben Geron. Die warmen, rostbraunen Augen, die immer voller Leben waren, sind erfüllt mit grausamer Leere.
"Ferion! Ihr Bastarde!" brüllt Geron, w?hrend seine eigene Stimme vor Schmerz und Wut bricht.
Er will sich bewegen, ihn berühren, ihn festhalten. Doch die Varrokai halten ihn fest, ihr Gel?chter ist wie ein Dolch in seinem Geist. Er windet sich, k?mpft, aber es ist zwecklos.
Dann trifft ihn ein brutaler Tritt in den Magen. Die Luft entweicht aus seinen Lungen wie aus einem aufgerissenen Schlauch. Sein K?rper krümmt sich vor Schmerz. Die Varrokai-Krieger packen Gerons erschlafften K?rper und drehen ihn grob auf den Bauch. Sein Gesicht prallt auf den feuchten, mit Blut vermischten Pflasterstein, w?hrend raue H?nde seine Arme auf den Rücken zwingen. Ein dicker Strick wird mit brutaler Effizienz um seine Handgelenke geschlungen und festgezurrt. Das grobe Hanfseil bei?t sich in seine Haut, doch der Schmerz bedeutet nichts im Vergleich zu dem, was sich vor seinen Augen abspielt.
Ferions lebloser K?rper liegt nur eine Arml?nge entfernt. Blut sickert in tr?gen Str?men aus der klaffenden Wunde an seinem Hals und sammelt sich in dunklen Pfützen auf dem Steinboden. Geron spürt, wie sein Magen sich zusammenzieht, als er den blassen, leeren Blick seines Freundes erblickt. Der Schock l?sst seinen K?rper erstarren, sein Atem gleicht einem klagevollen Keuchen.
Dann tritt der verletzte Varrokai-Offizier neben Ferion, den blutverschmierten Dolch, der eben noch in seinem Bein gesteckt hat, locker in der Rechten haltend. Er st??t Ferions Schulter mit der Stiefelspitze an. Keine Regung. Kein Zeichen von Leben. Ein grausames Grinsen huscht über das Gesicht des Offiziers. Seine zweifarbigen Augen, das eine dunkelbraun, das andere in unnatürlichem Silbergrün leuchtend, fixieren Geron mit einem Ausdruck, der sich zwischen Triumph und etwas Unheimlicherem bewegt.
?Arad na tu beku!“ murmelt der Offizier mit kehliger Stimme und kniet sich langsam neben Ferion. Seine Hand legt sich auf den reglosen K?rper. Die Worte werden wiederholt, wie ein Mantra, ein uraltes, fremdes Gebet. ?Arad na tu beku… Arad na tu beku…“
Geron ringt nach Luft, seine Gedanken rasen. Die Art, wie der Offizier die Worte spricht, erfüllt ihn mit einer tiefen, instinktiven Furcht. Er hat schon viele Formen der Magie gesehen, das rei?ende Wasser seiner eigenen Gaben, das lodernde Feuer der Feuermagier, aber dies ist anders, dunkler. K?lter.
Pl?tzlich beginnt sich die Hand des Varrokai zu ver?ndern. Ein schwaches, blassgrünes Leuchten schimmert unter der Haut, sickert wie Gift aus seinen Fingern, kriecht über seine Sehnen, seine Adern. Das Licht pulsiert in einem fremdartigen Rhythmus, wandert seinen Arm hinauf, w?hrend er seine Beschw?rung unabl?ssig fortsetzt. ?Arad na tu beku… Arad na tu beku…“
?Lass ihn in Ruhe!“ schreit Geron, seine Stimme ist heiser, rau von Schmerz und Wut. Er windet sich, versucht sich aufzurichten, doch die Krieger hinter ihm packen ihn brutal und drücken ihn mit Gewalt zurück auf die Knie.
Der Offizier l?sst sich nicht beirren. Sein Gesicht ist schmerzverzerrt, seine Züge angespannt, als würde er eine ungeheure Kraft aus der Tiefe seiner Seele rei?en. Das Licht breitet sich weiter aus, erreicht seine Schulter, dann seinen Hals. Mit einem letzten, zischenden Atemzug rei?t er die Augen auf. Das grüne Leuchten in seinem rechten Auge flackert auf, heller als zuvor, als h?tte er etwas aufgenommen, als w?re etwas aus Ferions K?rper auf ihn übergegangen.
Gerons Magen verkrampft sich. Sein Herz rast. Was hat dieser Bastard getan? Doch bevor er auch nur ein weiteres Wort herausbringen kann, wird ihm ein grober Leinensack über den Kopf gestülpt. Dunkelheit umschlie?t ihn, das Gewebe riecht nach Schwei? und Tod. Harte H?nde zerren an seinen Fesseln und rei?en ihn mit sich.